Auch in 2022 gab es wieder zahlreiche Aktivitäten der AR im Heiligen Land: Die Peacebuilder-Trainings sind weitergegangen, der interreligiöser Dialog mit jüdischen, muslimischen, christlichen und drusischen Klerikern wurde intensiviert, es gab selbstverständlich wieder zahlreiche Zusammenkünfte inklusive einem gemeinsamem Fastenbrechen (Iftar) mit mehr als 200 Teilnehmenden und natürlich ging das Programm zur Bildung neuer junger Peacemaker erfolgreich weiter.

Zu all diesen Aktivitäten konnte ich eigene Eindrücke auf eine Reise nach Israel sammeln, von denen ich im Folgenden gerne berichte. Die Reise führte uns von Tel Aviv über Jerusalem, Bethlehem, Nazareth ins Carmel-Gebirge und wieder zurück nach Tel Aviv. Zunächst war es überwältigend zu erfahren, wie unterschiedlich das Heilige Land sich präsentiert. Die weltoffene und säkulare Stadt Tel Aviv, das dichte und unter religiöser Dauerspannung stehende Jerusalem; Bethlehem, im West- Jordanland gelegen und dennoch mit einer völligen Ausrichtung auf das christliche Weihnachtsfest mit riesigem Tannenbaum und unzähligen Souvenirshops. Dann wieder das zwar in Israel gelegene, aber im Grunde sehr arabische Nazareth, in dem der Viertelfinaleinzug Marokkos bei Fußballweltmeisterschaft frenetisch und stundenlang gefeiert wurde und nicht zuletzt die wunderbare und sanfte Hügellandschaft des Carmel-Gebirges im Norden Israels.

Doch abgesehen hiervon haben mich insbesondere unsere Begegnungen mit den Peacemakern vor Ort beeindruckt und hier noch einmal ganz besonders mit den jungen Erwachsenen. Wir trafen die jungen Israelis und Palästinenser getrennt und gleich hier wurde deutlich, in welchen Unsicherheiten beide Gruppen leben müssen, denn den palästinensischen jungen Erwachsenen war es nicht erlaubt, wie geplant nach Jerusalem zu kommen. So trafen wir beide Gruppen getrennt voneinander. Doch beiden war gemeinsam ihr unbedingtes Engagement für Frieden und Aussöhnung und eine tiefe Einsicht in den Prozess des Verzeihens, der ohne Verständnis füreinander nicht möglich sein wird. Beide Seiten wünschen sich nichts sehnlicher als Sicherheit für ihre eigene Zukunft und ein Ende der Konflikte.

Bewegt hat mich eine junge Israelin, der, angesprochen auf die Reaktion ihrer Familie auf ihre Mitarbeit in der AR, die Tränen kamen. Denn viele ihrer Verwandten können ihren Weg der Aussöhnung nicht nachvollziehen und sind voller Sorge, dass sie selbst hierbei zu Schaden kommen kann. Und obwohl es ihr so schwerfällt, gegen den Willen ihrer Eltern zu handeln, sieht sie für sich keinen anderen Weg als den des aufeinander-zu-Gehens. Erzählen möchte ich auch von einem jungen Palästinenser, der davon berichtete, dass der eigentliche Heilige Krieg immer in uns selbst anfängt, nämlich die Loslösung von Anhaftungen und emotionaler Verstrickung. Welche Einsichten von diesem jungen Mann, der selbst Gewalt erlebt hat.

Was diese jungen Menschen brauchen? Unsere Unterstützung in jeder Form: Die Bestärkung, auf dem richtigen Weg zu sein, unsere Aufmerksamkeit und natürlich unsere finanzielle Unterstützung, damit weiterhin und trotz aller Schwierigkeiten palästinensische und israelische junge Erwachsene zusammenkommen können.

Eure Aufmerksamkeit möchte ich zudem noch auf die Arbeit von Anat Lev Or lenken, die als Co-Chair der neuen Amutah in Israel vorsteht. Die Bildung dieser 2021 in Israel angesiedelten Organisation, eng verbunden mit der AR, ist ein wichtiger Schritt um die Arbeit noch tiefer im Land zu vernetzen und gleichzeitig Israelis und Palästinensern die Möglichkeit zu geben zu spenden. Anat ist eine Frau voller Energie und Humor, die u.a. ein Frauenprojekt mit Frauen aus allen vier abrahamäischen Religionen ins Leben gerufen hat. Hier kommen Professorinnen, Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen aus ganz Israel zusammen, treffen sich regelmäßig zum Diskutieren und zum voneinander Lernen.

Es gäbe noch vieles zu erzählen, z.B. vom Treffen mit Hadassa Froeman oder Siham Halabi, beide Peacemaker aus tiefster Überzeugung und der AR seit Jahren eng verbunden. Hadassa, die den Weg ihres verstorbenen Mannes Rabbi Froeman, einem Mitbegründer der AR, unbeirrt und mit viel Energie weitergeht, und Siham, als in ihrer drusischen Gemeinde sehr engagiertes Vorstandsmitglied der neuen Amutha. Beide haben allein schon durch ihr herzliches und klares Auftreten tiefen Eindruck bei mir hinterlassen.

So möchten wir beide euch allen an dieser Stelle sehr herzlich danken für eure Unterstützung im zurückliegenden Jahr und gleichzeitig einen guten Start ins neue Jahr wünschen. Wir sind überzeugt, dass die Arbeit der AR mit Hilfe eurer Unterstützung den Weg des Heiligen Landes in eine friedvollere Zukunft sehr unterstützt.